LUX IN TENEBRIS (Licht in der Finsternis)

1.12.2018, St. Andreas, Weißenburg
2.12.2018, St. Willibald, Nürnberg

Dass unser Leben auf der schönen Erde nach neuen Wegen und mehr Licht schreit, verbindet sich in diesen Tagen mit zunehmender Dunkelheit: Christen feiern – als Licht in der Finsternis – die Geburt Christi. Was aber wird in Bewegung gesetzt, wenn ‚Gott‘, der ganz Andere, unter uns zur Welt kommt? Und wie kann dies in der Musik Ausdruck finden? Der Amadeus-Chor präsentiert dazu eine Auswahl von Kostbarkeiten: Werke aus unterschiedlichen Epochen, vom Frühbarock bis zur zeitgenössischen Musik, und aus verschiedenen Ländern – Deutschland, England, Lettland, Polen und den USA. Ergänzt wird dieses Programm durch die Trio-Sonate C-Dur von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750), BWV 529, Allegro, Largo, Allegro, gespielt von KMD Michael Haag, Kantor in St. Andreas.

Gerahmt ist das Chor-Programm von den beiden bekanntesten biblischen Lobgesängen: Am Schluss das Nunc dimittis, der Lobgesang des Simeon, der Jesus bei dessen Beschneidungsfest im Tempel gesehen hat. Zu Beginn das Magnificat, in englischer Sprache als festlicher Wechselgesang zwischen Chor und Solisten von Henry Purcell (1659-1695), dem genialen ‚Orpheus britannicus’, gefolgt von einer lateinischen Version des lettischen Komponisten Eriks Ešenvalds (geb. 1977). Das zugrundeliegende Loblied der Maria (Lk 1) enthält Anklänge an das Lied der alttestamentlichen Hanna. Es „ist das … revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde…. ein hartes, starkes, unerbittliches Lied von stürzenden Thronen und gedemütigten Herren dieser Welt“ (D.Bonhoeffer), es bejubelt Gott, der alle unrechten Verhältnisse umkehrt.

Zwei Motetten von Heinrich Schütz (1585-1672) folgen: ‚O lieber Herre Gott‘ – ein Weckruf und fröhliches Gebet – und ‚Es ist erschienen die heilsame Gnade’ – hier vertont der frühbarocke Meister im Dienste des Wortes ein Adventslied. Es hat zum Thema, wie sich die Wirklichkeit nun verändern soll. Erstaunlich, wie angesichts des Dreißigjährigen Krieges, von Pestepidemien und häufigen persönlichen Verlusten solche strahlenden Klänge, voll Zuversicht, entstehen konnten.

Vor dem Hintergrund heute brüchig und vielfältig gewordener Weltbilder entfalten die zeitgenössischen Kompositionen ihre Wirkung: Pawel Lukaszewskis (geb. 1968) ‚O Adonai‘ (1995) wurde bereits ein Jahr nach Erscheinen mit einem Preis ausgezeichnet. Es ist eines von Seven Great Advent Antiphones, sämtlich Anreden Christi, die Texte entstammen liturgischen Vespergesängen der Woche vor Weihnachten. ‚Adonai’ ist die jüdische Gebetsanrede. Aus Ehrfurcht wird der Name Gottes nur umschrieben, hier verbunden mit der Berufung auf Mose und seine Gottesbegegnung am Dornbusch.

Francis Poulenc (1899-1963) gehörte zu einer Gruppe junger Komponisten um Erik Satie und den Schriftsteller Jean Cocteau, genannt Les Six, die in ihrer Kunst nach einer größeren Einfachheit und Klarheit suchten. 1936 wurde Poulenc katholisch, 1952 vertonte er ‚O magnum Mysterium‘: dieser alte lateinische Vers skizziert die Krippenszene, wie sie zunächst der Evangelist Lukas, der Anwalt der Armen, ausgemalt hat (Lk 2) und wie sie im 13. Jh. Franz von Assisi als anschauliche Verkündigung für das Volk einführte – auch heute noch schockierend durch den Kontrast: Das Heilige kommt in die Welt durch ein neu geborenes armes Kind, geworfen in einen Futtertrog, vor den Augen der Tiere. Musikalisch im Kontrast zu diesem geheimnisvollen Stück steht Poulencs fröhliche, beschwingte, rhythmisch außergewöhnliche Jubelmotette ‚Hodie Christus natus est‘.