SPLENDOR CRUCIS – Glanz des Kreuzes

  1. März 2019, St. Marien in Gunzenhausen

Der Amadeus-Chor Neuendettelsau ist mit seinem Programm SPLENDOR CRUCIS am 31. März 2019 in St. Marien in Gunzenhausen zu Gast: Der renommierte Kammerchor setzt sich hierbei anhand von mehreren sehr unterschiedlichen Stücken mit der Passionszeit, die zugleich vorausweist auf Ostern, in Wort und Musik auseinander unter dem Thema “Glanz des Kreuzes”. Ergänzt wird dieses vokale Programm durch Orgelwerke von Johann Sebastian Bach (Präludium und Fuge in d-moll, BWV 539) und Johannes Brahms (“O Traurigkeit, o Herzeleid”, Choralvorspiel und Fuge op. WoO 7), gespielt von KMD Bernhard Krikkay.

Geheimnisvoll, ersehnt, nicht einzuplanen wie die Nordlichter am Sternenhimmel ist der Trost aus dem – eigentlich zutiefst verstörenden – Kreuzesleiden Jesu: Passion, Leiden, Leidenschaft für das Leben (oder wie B. Kirchhoff es formuliert: das Mitleid in die Welt zu bringen). Der Amadeus-Chor präsentiert in seinem Passionskonzert 2019 Kompositio- nen aus verschiedenen Jahrhunderten, die uns nahe bringen, wie musika lische Genies diese Trostbotschaft aus ihrer Zeit und persönlichen Lebensgeschichte heraus in die Sprache der Musik umgesetzt haben.

Gerahmt wird die spannende Gegenüberstellung alter und neuer Werke durch Kyrie und Agnus Dei aus Josquin Desprez’ Missa Pange Lingua. Desprez (1450-1521) verband die Polyphonie seiner flämischen Heimat mit der Harmonik Italiens und dem transparenten Stil Frankreichs. Mit ihm wandelt sich das Musikideal der Hochrenaissance, expressiver, subjektiver Ausdruck wird wichtiger. Seiner Messe liegt der Cantus firmus Pange Lingua (‚Preise, Zunge’) zugrunde nach einem Text von Venantius Fortunatus, einem Dichter (um 600) auf der Schwelle zwischen römischer Spätantike und Mittelalter.

Auf Venantius geht auch der Text ‚O crux splendidior cunctis astris‘ zurück: eine hymnische Meditation des Kreuzes Jesu – selbst die Folterinstrumente werden fast süßlich bedacht: dulces clavos – und seiner Bedeutung. Der Amadeus-Chor musiziert zunächst die Vertonung des franko-flämischen Meisters Orlando di Lasso (1532-1594), wechselnde Sätze in großen Klangbändern, die in ein – den Osterjubel vorwegnehmendes – Halleluja münden.

Nicht weniger klangprächtig setzte etwa 400 Jahre später (1977) der Norweger Knut Nystedt (1915-2014) denselben Text um: aus einem Ton erstrahlt seine Klang-Meditation wie geheimnisvolle Nordlichter an den gewaltigen zerklüfteten Berglandschaften Norwegens. Bohrend, schwebend, funkelnd, mit versetzten Schreien wie der Blick auf Nägel und Wunden, mit verklingendem Nachhall und Staunen wird Schmerz und Heilung in Bezug zum Kosmos gesetzt. Das Stück spiegelt zugleich Nystedts Faszination von den Möglichkeiten der menschlichen Stimme und ihren Klangfarben.

Herber erscheinen von Francis Poulenc (1899-1963) zwei seiner Quatre Motets pour un temps de penitence. Expressiv und elementar stellt Poulenc Angst, Sehnsucht und Liebe kantig gegenüber, genial ausgewählte Texte, meisterhaft vertont: Timor et tremor (Furcht und Zittern) konfrontiert mit menschlichem Schrecken und Vertrauen. Vinea Mea greift das ca 2700 Jahre alte Weinberglied Jesajas auf. Es beschreibt die zärtliche Liebe Gottes, seine Fürsorge und Enttäuschung angesichts der Verwahrlosung und Verwüstung seiner Schöpfung. Bei Poulenc ist dies (in starken Klängen und sperrigen Linien) verschmolzen mit der Perspektive des am Kreuz hängenden Christus.

Paweł Łukaszewski (geb.1968) ist einer der bekanntesten polnischen zeitgenössischen Komponisten, seine Werke werden weltweit aufgeführt. Sein Werk O Adonai, dem textlich katholische Verspergesänge zugrundeliegen, erscheint wie ein klangliches Bild der Gotteserfahrung am Dornbusch: Züngelnde Flammen, die zaghafte, zunehmend drängende jüdische Anrede Gottes, der dramatische Wechsel von ekstatischen Anrufen und Intensität sich ausbreitender Gegenwart des Heiligen, als käme Zeit zum Stillstand. Eine jüdische Bitte um Befreiung, mit der Berufung auf Mose und das Gesetz.

Hugo Distler (1908-1942) wurde in Nürnberg geboren und in Lübeck, Berlin und Stuttgart in den Kämpfen zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche unter Kränkungen und Einschüchterung zerrieben. Der späten Motette ‚Fürwahr, er trug unsere Krankheit‘ liegen die schwierigen Verse aus Jesaja 53 zugrunde: über den Gerechten, der stellvertretend Sühne leistet. Die Figur dieses alttestamentlichen Gottesknechts half vielleicht schon Jesus, sicher aber den ersten Christen, den Weg ins Leiden zu deuten. Distler gelingt es in starken extravaganten Linien dieses schwierige Schuldbekenntnis existentiell auszumalen. Die Fuge schließt in einem zuversichtlichen Choral, nach einer Strophe von Paul Gerhard.